Die göttliche Waffe - Bernhard Weißbecker

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Die göttliche Waffe

Kurzgeschichten
Filianna sah zu, wie der Manipulator des Roboters die feinen Kapillaren in den Körper der Königin schob. Mit einem leisen Seufzen liefen die Pumpen an, die Arinas Hämolymphe gegen frisches synthetisches Lebenselixier austauschten. Filianna wusste, wie die Königin sich nun fühlte – neue Energie durchfloss ihren Körper, neues Leben, das für einen weiteren Monat ihre Alterung stoppen würde.
Ein Gong ertönte, als die Infusion beendet war, und die Kapillaren zogen sich aus Arinas Körper zurück. Die Königin richtete sich auf ihren sechs Beinen auf und schlug mit den schwarz und rot gemusterten Schmetterlingsflügeln, um sich von dem Lebensspender wegzuheben.
»Wie fühlt Ihr Euch, meine Königin?«, fragte Filianna, die die Behandlung ihrer Herrin schweigend verfolgt hatte. Ihre blau schillernden Flügel hielt sie über ihrem Körper aufgerichtet, die Antennen hatte sie demutsvoll gesenkt.
»Gut«, antwortete Arina. »So wie jedes Mal.«
Die Königin flatterte auf, dem Portal entgegen, das in den Thronsaal des Palastes führte. Filianna folgte in gebührendem Abstand. Die Leibwächter standen dort bereit, zwei imposante Hirschkäfer, die Laserwaffen an ihren Zangen montiert hatten und die zugehörigen Energiepacks auf ihren Rücken trugen.
Es ist nicht immer so gewesen, dachte Filianna, während Arina sich auf ihrem Thron niederließ. Früher, vor tausend Generationen, führten die Schmetterlinge ein anderes Leben. Als Raupe fressend an einem Blatt, als Falter flatternd von Blüte zu Blüte. Eine Paarung, eine Eiablage und dann das Ende, der Tod. Immerhin ein Leben ohne Sorgen, ohne überhaupt die Fähigkeit zu besitzen, Trauer und Leid zu empfinden. Nun war alles anders. Schmetterlinge und andere Insekten hatten ein Bewusstsein, Intelligenz und alle Probleme, die damit zusammenhingen.
»Verzeiht, Herrin.« Ein dunkel gefärbter Nachtfalter flatterte heran, und Filianna trat zur Seite, um ihm Platz zu machen. Der Falter landete vor Arina und senkte seine Fühler. »Der oberste Heerführer wünscht Euch zu sprechen, an der üblichen Stelle.«
Filianna spürte die Gedanken der Königin. Sorgen – das konnte nur neue Sorgen bedeuten.
»Ich werde ihn empfangen«, sagte Arina. Sie erhob sich vom Thron, und Filianna folgte ihr in den Gang, der zum Balkon des Palastes führte. Die beiden Hirschkäfer bildeten den Abschluss.
Als die beiden Schmetterlinge sich dem Balkon näherten, konnte Filianna bereits die riesigen, gläsern schimmernden Augen des Heerführers sehen, der aufrecht stehend ebenso hoch war wie der Palast. Erst als sie durch die Öffnung flog und sich neben Arina auf der Brüstung niederließ, konnte sie die ganze gewaltige Gestalt erkennen. Filianna zitterte, wie sie es immer tat, wenn sie dem schrecklichen Wesen gegenübertreten musste. Der runde Kopf des Roboters saß auf einem metallenen Körper mit zwei Beinen und zwei Armen, die in Greifern mit fünf Fingern endeten. Die gepanzerte Hülle des Heerführers wies Schäden auf, durch die man mechanische Strukturen erkennen konnte – Kabel und Schläuche, durch die sein künstliches Blut pulsierte.
»Nun?«, fragte die Königin. »Wie ist der Kampf verlaufen?«
»Wir haben gesiegt, Herrin!« Der riesige Roboter senkte demutsvoll seinen Kopf. »Das Heer der Termiten und ihre fliegende Festung sind zerstört.«
»Ich danke dir, Heerführer. Ich bin sicher, dass wir den Sieg nur durch deine Stärke erringen konnten. Doch wie lange wird nun wohl Frieden herrschen?«
»Bald wird der Winter kommen. Die Streitmächte der Hornissen, die sich im Norden sammeln, werden sicher auf das Frühjahr warten.«
»Das ist gut, es gibt uns die Zeit, die wir so dringend brauchen. Aber ich sehe, dass du verletzt bist – was können unsere Techniker für dich tun?«
»In der Tat, ich bin beschädigt, Herrin.« Der Blick des Heerführers senkte sich für einen Moment, bevor er sich wieder auf die Königin richtete. »Und ich fühle, dass die Quelle meiner Energie nicht unerschöpflich ist. Unsere Techniker können keine Abhilfe schaffen.«
Arina schwieg für einen Moment, dann flatterte sie auf, vor das Gesicht des Roboters.
»Was bedeutet das?«, fragte sie. »Gibt es einen Weg, wie dir geholfen werden kann?«
»Vielleicht. Ich müsste den Ort aufsuchen, an dem ich erschaffen worden bin.«
»Also gut.« Arina seufzte. »Wen wünschst du dir als Begleiter für deine Reise? Jede Hilfe, die du wünschst, soll dir gewährt werden.«
»Danke. Aber ich werde alleine gehen. Das Land im Osten ist frei von feindlichen Völkern.«
»Nein, nicht alleine. Filianna soll dich begleiten, und durch sie werde auch ich bei dir sein.«
Filianna erschrak, als sie diese Worte hörte. Sie sollte alleine mit dem gewaltigen Heerführer diese Reise antreten? Doch das Wort der Königin war Gesetz, und es kam ihr nicht in den Sinn zu widersprechen.
*
Im ersten Licht des nächsten Morgens war die Zeit des Aufbruchs. Filianna setzte sich neben den Kopf des Roboters, sodass seine akustischen Sensoren die feinen Vibrationen ihrer Stimme wahrnehmen konnten. Der Heerführer konnte nicht über Gedanken kommunizieren, so wie die Schmetterlinge, sondern sprach die Alte Sprache, die wie ein Schatz von den Insekten gehütet wurde, auch wenn sie sie nur unter Mühen artikulieren konnten.
Der Roboter setzte sich in östlicher Richtung in Bewegung und entfernte sich mit schnellen Schritten vom Palast.
»Darf ich dich etwas fragen?«, fragte Filianna.
»Natürlich. Was begehrst du zu wissen?«
»Warum hast du diese ungewöhnliche Gestalt? Kein anderes Wesen, das ich kenne, läuft auf zwei Beinen.«
»Einst gab es Wesen wie mich, doch aus Fleisch und Blut«, antwortete der Roboter. »Sie nannten sich Menschen, damals, vor langer Zeit. Ihr Reich endete, als sie die Göttliche Waffe einsetzten.«
»Die Göttliche Waffe?«
»Sie ist schrecklich. Und doch – durch ihre Wirkung wurden die Schmetterlinge und die anderen Insekten zu dem, was sie heute sind. Vielleicht wurde auch ich durch sie zu dem, was ich heute bin.«
Filianna wunderte sich über diese Worte, doch der Roboter sprach nicht weiter, und sie wagte nicht, die Stille noch einmal zu stören. Sie betrachtete die Umgebung, die langsam an ihr vorüberzog. Vage konnte sie den Saum des Waldes erkennen, auf den sie sich zubewegten. Sie spürte die Präsenz anderer Insekten um sich herum, die freundlichen Gedanken von Heuschrecken und ein paar Marienkäfern. Nichts schien den Frieden der Lichtung zu stören.
Als der Wald direkt vor ihnen aufragte, sah Filianna ein letztes Mal zurück. Noch nie hatte sie sich so weit von ihrer Heimat entfernt. Der Palast war nicht mehr zu erkennen, doch Filianna glaubte, die Gruppe der Weiden zu erahnen, die nahe bei dem Bachlauf stand. Dann fielen Schatten auf sie, als der Roboter zwischen die eng beieinanderstehenden Bäume trat. Viele alte Sagen gab es unter den Insekten der Lichtung über den Wald, Berichte von düsteren Orten ohne Sonnenlicht, von feindlichen Insekten und von schrecklichen Vögeln. Ein Gefühl der Furcht kam über sie, doch dann spürte sie, dass die Gedanken der Königin bei ihr waren, und sie war beruhigt.
Der Roboter barg Filianna nun in seiner Hand, denn seine Schulter war nicht länger ein sicherer Ort. Die ineinander verwobenen Zweige der Bäume und Sträucher strichen an seiner harten Panzerung entlang, während er sich seinen Weg durch den Wald bahnte. Am Abend senkte sich Dunkelheit über das Land, und Filianna fiel in einen unruhigen Schlaf.
*
Als sie erwachte, war der Wald wieder vom Licht der Sonne erhellt. Sie wusste, dass der Heerführer unermüdlich war und die gesamte Nacht hindurch gelaufen sein musste. Der Gedanke an all die Wegstunden düsterer Wildnis, die sie nun von ihrer Heimat trennten, ließ sie erschaudern. Doch immer noch hatten sie ihr Ziel nicht erreicht. Der Wald war nun lichter als zuvor, und als die Sonne ihren höchsten Punkt erreichte, endete er ganz. Eine weite Fläche lag vor ihnen, die mit Baumstümpfen übersät war. Ein ungutes Gefühl beschlich Filianna. So bedrohlich ihr auch der Wald erschienen war, musste hier doch eine Macht gewirkt haben, die noch größer und schrecklicher war.
»Was ist hier geschehen?«, fragte sie.
»Die Menschen«, sagte der Heerführer. »Sie kehren zurück.«
Jenseits des zerstörten Waldes erstreckte sich eine leblose und graue Ebene ohne Pflanzenbewuchs.
»Sind dies Felsen?«, fragte Filianna, die sich an ähnliche Ansichten aus den Video-Archiven erinnerte.
»Nein«, antwortete der Roboter. »Es war ein Ort der Menschen. Sie nennen ihn Stadt.«
Es war schon Abend, als die raschen Schritte des Heerführers sie zu dem Rand der seltsamen grauen Fläche geführt hatten. Hier und da stiegen Rauchfäden auf, und der Geruch von Feuer hing in der Luft. Filianna stellte fest, dass der Ort nicht völlig ohne Leben war, denn auch auf und zwischen den kantigen, grauen Objekten wuchsen Pflanzen.
»Wo sind die Menschen?«, fragte Filianna, während sie sich zwischen Gebäuden hindurchbewegten, viel größer als der Palast der Königin.
»Es sind nicht viele«, sagte der Roboter. »Und sie verstecken sich.«
Der Heerführer legte wieder seine schützende Hand um den Schmetterling und schritt zielsicher durch die Stadt. Filianna blickte zwischen den mächtigen Metallfingern hindurch, und hin und wieder sah sie ruckartige Bewegungen zwischen den Gebäuden. Ein ungutes Gefühl stieg in ihr auf, und sie brauchte eine Weile, um zu erkennen, dass es die fremdartigen Gedanken der Menschen sein mussten, die sie in ihrem Geist erspürte.
Immer öfter wandte Filianna sich nun um, und sie sah, dass einige der Wesen ihnen folgten. Ihre Gestalt erinnerte tatsächlich an die des Heerführers, doch sie liefen gebückt, huschten schnell von Deckung zu Deckung. Der Roboter eilte weiter, bog zielsicher um die Ecken und suchte sich einen Weg durch die Trümmer, die den Boden bedeckten. Die Verfolger schien er nicht zu beachten. Er zögerte erst, als sie einen freien Platz erreichten, in dessen Mitte eine einsame Gestalt mit ausgebreiteten Armen auf sie wartete.
Filiannas Anspannung stieg an, je weiter sie in die offene Fläche vordrangen. Die fremde Gestalt war offenbar ein genaues Abbild des Heerführers, allerdings waren auch schon aus der Entfernung die schweren Schäden zu erkennen, die er erlitten hatte.
»Wer ist das?«, fragte Filianna.
»DR-6«, antwortete der Heerführer. »Ein Verteidigungsroboter aus meiner Baureihe. Ich kannte ihn … vor langer Zeit.«
Ein Fuß des fremden Roboters und ein Teil seines Unterschenkels fehlten. Auch sein zweites Bein wies einen breiten Riss in der Außenhülle auf. Wahrscheinlich hatte man ihn deshalb mit groben Stricken in einer aufrechten Position festgebunden. Filianna erkannte jetzt, dass es ein hölzernes Kreuz war, an dessen Querbalken man die Arme des Roboters befestigt hatte.
Die Menschen, die ihnen gefolgt waren, bildeten nun einen Halbkreis um sie. Einige waren auf die Knie gesunken. Stimmen erhoben sich aus der Menge heraus.
»Seht, unser Gott ist wiedergeboren«, rief ein Mann in der Alten Sprache. Er trug ein gestreiftes Gewand in den Farben Rot, Blau und Gelb.
»Sprich zu uns, Gott!«, sagte ein anderer.
»Führe uns zum Sieg!«
»Gib uns die Göttliche Waffe!«, rief der Mann in dem bunten Gewand.
»Die Göttliche Waffe«, ging ein Raunen durch die Menge.
Filianna erschrak, als plötzlich ein surrendes Geräusch hinter ihr ertönte. Der fremde Roboter hatte sich bewegt. Trotz all der Schäden schien immer noch Leben in ihm zu sein. Tatsächlich, der Kopf drehte sich langsam. Dann sprach eine tieftönende Stimme:
»Vernichtung«, sagte er.
»Vernichtung«, wiederholte die Menge.
»Erst Rot, dann Gelb und Blau«, sagte der Roboter. »Code 7a37da.«
»Erst Rot, dann Gelb und Blau«, sagte der Mann in dem bunten Gewand.
»Waffe … Göttliche … Waffe«, sagte der Roboter.
»Gib uns die Göttliche Waffe«, rief die Menge.
»Habt ihr immer noch nicht genug?«, flüsterte der Heerführer, sodass nur Filianna ihn hören konnte. Ohne noch etwas zu sagen, wandte er sich von den Menschen ab und lief zum Rand des Platzes, wo sich ein pyramidenförmiges Gebäude mit einem breiten Portal erhob. Dort blieb er stehen und presste seine Hand gegen eine quadratische Metallplatte, die in die Wand eingelassen war.
Filianna zuckte zusammen, als ein dumpfes Poltern ertönte und die Wand vor ihnen sich langsam zur Seite bewegte. Sobald der Spalt breit genug war, eilte der Roboter hindurch. Staunend betrachtete Filianna die Halle, in die sie getreten waren. Lampen erwachten flackernd zum Leben und beleuchteten eine Sammlung technischer Geräte, deren Sinn Filianna verschlossen blieb. Hinter ihnen schloss sich die Tür.
»Was ist das alles?«, fragte sie.
»Waffen und Ausrüstung, die vom letzten Krieg übrig geblieben sind. Dem Krieg, in dem sich die Menschen vernichtet haben. Sieh dich um, wenn du magst.«
Filianna flatterte in die Luft, hielt sich aber in der Nähe des Heerführers, da die riesigen fremdartigen Maschinen sie ängstigten. Zielstrebig ging der Roboter weiter, bis er eine kleine Kammer am Rand der Halle erreichte. Aus einem Regal nahm er mehrere zylinderförmige Objekte, jedes so lang wie sein Unterarm. Er drückte kleine Knöpfe und blickte prüfend auf die aufleuchtenden Digitalanzeigen.
»Gut«, sagte er. »Energie für die nächsten Jahrhunderte.«
Er packte die Zylinder in einen Sack, den er sich über die Schulter hängte. Aus einem anderen Regal nahm er weitere Gegenstände und wählte einige aus, die er mitnehmen wollte. Endlich trat er wieder aus der Kammer heraus, um sich weiter in der großen Halle umzusehen, und Filianna flatterte zurück auf seine Schulter.
Plötzlich beschleunigte der Roboter seine Schritte und trat auf einen unscheinbaren Apparat zu, der zwischen zwei gewaltigen geflügelten Maschinen stand. Das Objekt war kaum höher als die Knie des Heerführers, ein schwarz glänzender Rahmen, dazwischen ein großer, metallischer Zylinder, Röhren und Leitungen. Oben in der Ecke eine Tastatur, Zahlen und Buchstaben und drei farbige Knöpfe, rot, blau und gelb.
»Die Göttliche Waffe«, murmelte der Roboter. »Ich hätte nicht gedacht, dass eine von ihnen übrig geblieben ist.«
Er drückte den roten Knopf, und ein grün schimmerndes Display erwachte zum Leben. Filianna sah, dass sich Worte formten, die sie erkannte. Selbsttest stand dort für eine Weile und dann Status: OK. Code?
Der Heerführer drückte noch einmal auf den roten Knopf, und die Anzeige erlosch. Er verharrte reglos, bis Filianna das Schweigen brach.
»Heerführer?«, sagte sie. »Die Menschen – haben sie dich geschaffen?«
»Ja«, sagte der Roboter.
»Warum dienst du nun der Königin?«
Der Roboter schien lange nachzudenken, bevor er wieder das Wort ergriff, und auch dann erhielt Filianna keine Antwort.
»Kannst du die Gedanken der Königin spüren?«, fragte er.
»Ja, Heerführer, das kann ich.«
»Dann sage ihr, dass wir eine der Göttlichen Waffen gefunden haben. Frage sie, ob wir sie mitbringen sollen.«
Filianna verstummte, formte in ihren Gedanken die Frage und lauschte auf die Antwort der Königin.
»Die Königin sagt, dass du die Waffe vernichten sollst, wenn dies möglich ist.«
»Siehst du«, sagte der Heerführer. »Dies ist der Grund, weshalb ich der Königin diene und nicht mehr den Menschen.«
Filianna dachte über diese Antwort nach, während der Roboter sich erhob und den Weg zurück durch die Halle zu dem Portal nahm. Er drückte auf die Metallfläche, die den Öffnungsmechanismus in Gang setzte. Mehrere Menschen standen davor und fielen sofort auf ihre Knie, als sie den Roboter sahen. Sie drückten ihre Gesichter auf den Boden, nur der Mann mit dem bunten Gewand wagte es, den Oberkörper aufzurichten.
»Gott, wir bitten dich«, sagte er. »Erhöre unsere Gebete.«
»Eure Gebete sollen erhört werden«, antwortete der Heerführer.
»Wirst du uns die Waffe geben? Die Göttliche Waffe?«
»Ja«, sagte der Heerführer. »Sie soll euch gehören.«
»Wann?«, fragte der Mann. »Wann ist es so weit?«
»Verbringt die Nacht im Gebet. Und morgen sollt ihr die heiligen Hallen betreten.«
»Wir danken dir, Gott«, sagte der Mann und warf sich zu den anderen auf den Boden.
Der Heerführer wandte sich ab, und ohne sich noch einmal umzudrehen, überquerte er den Platz. Filianna bemerkte, dass das Portal sich nicht hinter ihnen geschlossen hatte.
»Willst du die Waffe nicht zerstören, wie es die Königin gewünscht hat?«
»Nein, die Menschen werden es tun. Morgen.«
Der Roboter sprach nicht mehr, bis sie im letzten Tageslicht den Rand des Waldes erreichten. Auch Filianna dachte schweigend über die Erlebnisse mit den seltsamen Menschenwesen nach. Als sie in die Finsternis zwischen den Bäumen eintraten, wiegte der gleichmäßige Schritt des Heerführers sie bald in tiefen Schlaf.
*
Sie erwachte im ersten Dämmerlicht des nächsten Morgens und merkte sogleich, dass der Heerführer nun stillstand. Um sich herum sah sie Nebelschwaden, die zwischen den Wipfeln der Bäume hingen. Offenbar befanden sie sich auf einer Hügelkuppe, von der aus sie das Land weithin überblicken konnten. Der Heerführer stand reglos, den Blick nach Osten gewandt, wo der Himmel sich rot gefärbt hatte.
Filianna wagte nicht, die erhabene Ruhe des Augenblicks zu stören, als der erste glühende Streifen der Sonnenscheibe am Horizont sichtbar wurde. Dann tauchte plötzlich ein neues Licht auf – ein greller weißer Blitz, der das weiche Morgenlicht überstrahlte. Doch schnell schwand es wieder, färbte sich erst gelb und dann rot. Für einen Moment erschien es, als stünden zwei rotglühende Sonnen am Himmel, dann verblasste das neue Licht und machte einem schnell anwachsenden Rauchpilz Platz.
»War das die Göttliche Waffe?«, fragte Filianna ehrfurchtsvoll.
»Ja«, antwortete der Roboter. »Nun ist sie vernichtet.«
»Es sah gewaltig aus«, sagte Filianna. »Hoffentlich ist den Menschen nichts geschehen.«
»Es gibt keinen Grund zur Sorge«, erwiderte der Heerführer und wandte sich von dem Sonnenaufgang ab. Für die nächsten hundert Jahre, fügte er in Gedanken hinzu. Und dann sehen wir weiter.
***
Erschienen in: Das Wort (Story Center 2009), p.machinery 2009

 
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